• Händehygiene in Zeiten von Corona

IPA Aktuell 01

Händehygiene und Hautprobleme in Zeiten der Covid-19-Pandemie

Aus der Berufsdermatologischen Beratungspraxis

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie erreichen das IPA verstärkt Anfragen zum Themenkreis „Händehygiene und der möglichen Zunahme von irritativen Kontaktekzemen“. Im Folgenden stellen wir die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und geltenden Empfehlungen vor.

Händewaschen versus Händedesinfektion

„Wasche die Hände häufig mit genügend Seife und warmen Wasser für mindestens 20 bis 30 Sekunden“ eine allgemeine, omnipräsente Empfehlung, die nicht nur als Infektionsprophylaxe für Bereiche des Gesundheitswesens ausgesprochen wird. Allerdings zeigen aktuelle Untersuchungen eine Zunahme von Handekzemen bei Personal in Krankenhäusern. Dabei wurde beobachtet, dass die Waschfrequenz der Hände sich mehr als verdoppelt hat, von im Schnitt 5 bis 10 mal pro Tag auf 10 bis 20 mal. Unabhängig davon, ob auf einer Covid-19 Station gearbeitet wurde oder nicht.

Die Desinfektionsmittelkommission (VAH, 2020) hatte zunächst als effektive Maßnahme zur Infektionsprävention gründliches Händewaschen bei richtiger Durchführung für den öffentlichen Bereich, wie Büros, Kindergärten oder Schulen empfohlen. So konnte bei Influenzaviren gezeigt werden, dass diese durch Wasser und Seife bereits nach 20 Sekunden inaktiviert werden. Dabei ging man davon aus, dass Desinfektionsmaßnahmen nur in medizinisch begründeten Fällen erforderlich seien. Für gesunde Menschen sei das regelmäßige und gründliche Händewaschen für zumindest 20 Sekunden eine der wichtigsten Hygienemaßnahmen, um eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern.

Verstärktes Auftreten von Handekzemen

Bereits im April diesen Jahres wurde von verschiedenen Quellen darauf hingewiesen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Welle von Handekzemen durch übermäßiges Händewaschen mit Seifen beziehungsweise Waschlotionen zu erwarten sei. Nicht zuletzt auch deshalb, weil auch in der Presse fälschlicherweise verbreitet wurde, dass Händewaschen hautschonender als Händedesinfizieren sei. Eine Online-Umfrage des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen unter seinen Mitgliedern bestätigte diese Befürchtungen.

Mittlerweile gibt es eine Empfehlung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, in den Schulen statt des Händewaschens alkoholische Desinfektionsmittel zu bevorzugen (Elsner et al. 2020). Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass 30% der Kinder unter einem atopischen Ekzem oder einer atopischen Disposition leiden und sie somit empfindlicher auf die in den Waschlotionen enthaltenen Detergenzien reagieren können. Zudem zeigen Studien zur Händehygiene in Ebola betroffenen Regionen West-Afrikas, in denen Händewaschen mit Seife, Händedesinfektion mit Alkohol und speziell auch die Anwendung von Chlorlösungen zur Desinfektion miteinander verglichen wurden, dass die Haut bei der Anwendung alkoholbasierter Desinfektionsmittel am geringsten irritiert wurde.

Entweder waschen oder desinfizieren

Um das Ausmaß der Hautveränderungen möglichst gering zu halten, sollten die Hände – von Ausnahmen abgesehen – wie zum Beispiel bei sichtbarer Verschmutzung entweder gewaschen oder desinfiziert werden. Nach der weitergehenden Empfehlung des Sachgebiets „Hautschutz“ im Fachbereich „Persönliche Schutzausrüstungen“ der DGUV ist nach dem Händewaschen eine zusätzliche Händedesinfektion nicht notwendig und sollte, um die Hautschädigung möglichst zu begrenzen, unterbleiben. Sowohl nach dem Händewaschen als auch nach häufiger Händedesinfektion sollten verstärkt rückfettende Maßnahmen erfolgen.

Desinfektionsmittel und Hautirritabilität

Im Zusammenhang mit der Covid-19- Pandemie sind sich Gesundheitsbehörden und Wissenschaft in Deutschland und Europa derzeit einig, dass das Wirkspektrum mit der Bezeichnung „begrenzt viruzid“ - oder alternativ auch „begrenzt viruzid PLUS“, oder „viruzid“ - die Inaktivierung des SARS-CoV-2- Virus miteinschließt (Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) am 28.4.20). Es werden dazu vom VAH- und vom Robert Koch-Institut gelistete Präparate empfohlen. Falls diese nicht erhältlich sind, gibt es eine von der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz empfohlene Rezeptur für Desinfektionsmittel (BAuA, 2020). Abzuraten ist vom Gebrauch verschiedener Gele und Feuchttücher, sowie Mischungen, zum Beispiel desinfizierender Seifen, die zurzeit auf dem Markt sind. Sie bieten häufig keinen hygienischen Vorteil, der über das regelmäßige Waschen mit Wasser und Seife hinausgeht. Bei manchen Präparaten fehlt es wohl auch an (unabhängigen) Wirksamkeitsnachweisen.

Zu Beginn der Pandemie kam es aufgrund der verstärkten Nachfrage zu einer Verknappung von Desinfektionsmitteln. Dr. Roland Suchenwirth, Abteilungsleiter Umweltmedizin/-Epidemiologie des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA) berichtete im April aus seiner täglichen Praxis: „Uns erreichen zurzeit viele Anfragen von Gesundheitsämtern, aber auch von Krankenhäusern und Altenpflegeheimen bezüglich der Hautverträglichkeit von Ausweichpräparaten wie zum Beispiel Produkte mit Natriumhypochlorit- und Silbernitrat, die als Alternativen zu alkoholischen Desinfektionsmitteln gekauft werden“. Viele dieser Alternativprodukte sind zwar mit einer BAuA Registriernummer versehen, dies bedeutet aber nur, dass das Produkt gemäß Meldeverordnung bei der BAuA gemeldet wurde. Eine Zulassung muss dabei nicht bestehen (VAH 28.4.20). Für die Registriernummer ist lediglich ein formaler Antrag nach der national gültigen Biozid-Meldeverordnung notwendig. Die Produkte sind damit jedoch verkehrsfähig und können gemäß der Übergangsregelungen vertrieben werden, ohne dass eine Bewertung der Wirksamkeit, Toxizität oder Umweltverträglichkeit erfolgt ist.“

Anders als bei alkoholischen Produkten ist für die Händedesinfektion zum Beispiel bei Hypochlorit haltigen Desinfektionsmitteln, meist eine Einwirkzeit von einer Minute angegeben. In dieser Zeit müssen die Hände zudem feucht gehalten werden. Vorab müssen die Hände gewaschen werden. „Ein solches Verfahren ist bei der im medizinischen Bereich erforderlichen, häufigen Anwendung von mehreren Zehnmal am Tag problematisch und wohl kaum praktikabel und lässt eine hautschädigende Wirkung erwarten“, so Dr. Suchenwirth weiter. Aus dermatologischer Sicht und nach nur einer aktuellen vergleichenden epidemiologischen Untersuchung ist in der Tat von einer höheren Hautirritabilität dieser Produkte auszugehen. Zudem rät der VAH in seiner Empfehlung vom 28. April 2020 aufgrund der Instabilität und möglicher Hautirritation von im Handel erhältlichen chlorhaltigen Produkten für die Händedesinfektion ab.

Fazit

Zusammenfassend besteht Forschungsbedarf bezüglich des unterschiedlichen Reizungspotentials der Händedesinfektionsmittel, da bei über 20facher Anwendung auch geringe Unterschiede ausschlaggebend für die Entstehung von irritativen Kontaktekzemen sein könnten.

Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form im IPA-Journal 03/2020.

Kurz gefasst

  • Händedesinfektion ist weniger irritativ als häufiges Händewaschen.
  • Bei der Auswahl der Desinfektionsmittel sollte auf chlorhaltige Produkte verzichtet werden.
  • Abzuraten ist von Gelen und Feuchttüchern, sowie Mischungen (z.B. desinfizierende Seifen), die zurzeit auf dem Markt sind.

Kurz erklärt

Für behüllte Viren muss das Händedesinfektionsmittel (HDM) mindestens mit der Bezeichnung „begrenzt viruzid“ gekennzeichnet sein, für unbehüllte Viren wie Noro-, Adeno- und Rotaviren „begrenzt viruzid plus“ (weiterer Wirkungsbereich für HDM seit 2017). Andere unbehüllte Viren, wie zum Beispiel Polioviren müssen als „ viruzid“ gekennzeichnet sein (Schwebke et al. 2017).

Zum Weiterlesen empfohlen

BAuA. Allgemeinverfügung zur Zulassung 2-Propanol-haltiger und Ethanol-haltiger Biozidprodukte zur hygienischen Händedesinfektion ..., Zur Verfügung

DGUV Fachbereich aktuell .FBPSA-006 Hautschonende Händehygiene in der Corona-Krise. Stand 18.5.20. www.dguv.de Webcode: d3573

Elsner P, Fartasch M, Schliemann S. Dermatologische Empfehlungen zur Handhygiene in Schulen während der COVID-19_Pandemie. JDDG 2020; 18: 892-8930

Schwebke I, Eggers M, GebelJ, Geisel B, Glebe D, Rapp I, Steinmann J, Rabenau HF. Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren zur Anwendung im human-medizinischen Bereich. Bundesgesundheitsbl 2017, 60: 353-363

VAH online. Qualitätskennzeichnung für den Einkauf von Händedesinfektionsmitteln Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) e.V., Desinfektionsmittel-Kommission, 28.4.2020 Zur Internetseite

Fachl. Ansprechpartnerin:

Prof. Dr. M. Fartasch

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