Die Zahlen beruflich bedingter Tumoren des Brustfells, Bauchfells und anderer seröser Häute (sog. Mesotheliome) befinden sich trotz Asbestverbots im Jahr 1993 weiterhin auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2023 wurden von den Unfallversicherungsträgern rund 650 neue Fälle einer Berufskrankheit nach der Nummer 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Mesotheliom) anerkannt.
Da diese Tumoren häufig erst in späten und damit weit fortgeschrittenen Erkrankungsstadien entdeckt werden, sind sie schlecht behandelbar. Daher soll die nachgehende Vorsorge für Versicherte mit einer arbeitsbedingten Asbestexposition, die auf Grund ihrer individuellen Voraussetzungen einer bestimmten Risikogruppe angehören, durch neue, nicht belastende und effektive Untersuchungsmethoden verbessert werden.
Die MoMar-Studien (MoMar, MoMarFollow) des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA), Institut der Ruhr-Universität Bochum, haben gezeigt, dass durch den Einsatz der Biomarker-Kombination aus Mesothelin und Calretinin erstmals eine Methode zur Verfügung steht, die einen früheren Nachweis des malignen Mesothelioms erlaubt als mit den bisher etablierten klinischen Verfahren. Mit der durch den Einsatz von Biomarkern möglichen Vorverlagerung der Diagnose durch weitere klinische Untersuchungsverfahren ist auch ein früheres Stadium der Krebserkrankung zum Zeitpunkt der Erstdiagnose zu erwarten. Tumoren in frühen Stadien zu erkennen, kann so helfen, die Behandlungsmöglichkeiten zu erweitern und damit zu verbessern.
Aus diesem Grund hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) 2019 eine Projektgruppe „Mesotheliomtherapie“ eingesetzt, die das Erweiterte Vorsorgeangebot zur Früherkennung von Mesotheliomen (EVA-Mesothel) maßgeblich entwickelt hat. Das Angebot richtet sich ausschließlich an versicherte Personen mit einer bereits anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Asbeststaublungenerkrankung [Asbestose] oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura) („BK 4103“)). Es umfasst vor allem eine jährliche Blutproben-basierte Biomarkerbestimmung.
EVA-Mesothel hat im Frühjahr 2023 zunächst in einer Pilotregion im Ruhrgebiet und Teilen des Rheinlands für Versicherte der Berufsgenossenschaft Rohstoff und chemische Industrie (BG RCI), Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) und Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) begonnen. Ab September 2025 wird EVA-Mesothel bundesweit und durch alle Unfallversicherungsträger für Versicherte mit einer bereits anerkannten BK 4103 angeboten. Die ärztliche Fortbildung als flexibles E-Learning wurde durch die Ärztekammer Westfalen-Lippe zertifiziert und läuft seit Juli 2025.
Das IPA wird EVA-Mesothel leitliniengerecht durch das Forschungsprojekt EVA-Mesothel-Monitor wissenschaftlich begleiten.
Die versicherten Personen werden von UVT-beauftragten Ärztinnen und Ärzten nach entsprechendem Einverständnis der versicherten Person zu einem ärztlichen Beratungsgespräch eingeladen. In diesem Gespräch wird insbesondere der individuelle Nutzen sowie mögliche Risiken von EVA-Mesothel für die versicherte Person besprochen. Erst dann entscheidet die versicherte Person, ob sie an der Biomarkeruntersuchung und – unabhängig davon – an der begleitenden wissenschaftlichen Auswertung EVA-Mesothel-Monitor teilnimmt. Es folgt nach Anamnese und entsprechenden Untersuchungen anschließend eine einfache Blutentnahme.
Die Bestimmung der Biomarker in den abgenommenen Blutproben erfolgt für EVA-Mesothel ausschließlich inSpeziallaboren.
Ist das Ergebnis der Biomarker-Bestimmung unauffällig, erfolgt eine erneute Blutentnahme in der Regel nach einem Jahr.
Sollte sich ein auffälliger Biomarkerbefund bzw. ein Verdacht auf ein Mesotheliom ergeben, erhalten die Betroffenen anknüpfend an EVA-Mesothel ein Angebot zur weiteren Abklärung in einer zertifizierten Mesotheliomeinheit.
Wird dort im Laufe der weiterführenden medizinischen Untersuchungen ein Mesotheliom bestätigt, erfolgt die weitere individuell gebotene medizinische Diagnostik und ggf. Behandlung auf Wunsch unter Einbindung des Reha-Managements des zuständigen Unfallversicherungsträgers.
Sollte sich trotz auffälligem Biomarkerbefund in der Abklärungsdiagnostik kein Mesotheliom finden, wird eine erneute Blutentnahme bereits nach drei Monaten empfohlen.