Befragung zu Muskel-Skelett-Beschwerden bei der Bildschirmarbeit im Homeoffice

Projekt-Nr. IFA 0508

Status:

abgeschlossen

Zielsetzung:

Durch die Covid-19-Pandemie wurde Homeoffice quasi über Nacht zur temporär wahrscheinlich meistverwendeten Arbeitsform für Bildschirmarbeitsplätze in Deutschland und weltweit. Auch aktuell arbeiten viele Beschäftigte im Homeoffice oder im hybriden Arbeitsmodell abwechselnd im Büro und im Homeoffice.

Das Homeoffice als Form der mobilen Arbeit unterscheidet sich rechtlich grundlegend von einem vom Arbeitgeber eingerichteten Telearbeitsplatz. Aufgrund der weiterhin hohen Nutzung wird das Thema Homeoffice auf verschiedenen politischen Ebenen diskutiert und auch die gesetzliche Unfallversicherung beschäftigt sich mit der Sicherheit und Gesundheit bei mobiler Arbeit. Die vielfältige private Ausstattung im Homeoffice führt zu einer großen Spannbreite des Grads der Ergonomie. Bisherige Studien berichten von einem Anstieg an Muskel-Skelett-Beschwerden bei vermehrter Arbeit im Homeoffice (z. B. DAK 2021 oder KKH 2022). Die ergonomische Gestaltung der Homeoffice-Bildschirmarbeitsplätze wurde in diesen Studien jedoch nicht umfassend betrachtet. Die Kenntnisse der Zusammenhänge zwischen Beschwerden und ergonomischen Risikofaktoren, wie Nutzungsdauer und Positionierung von Arbeitsmitteln oder Passgenauigkeit von Aufgaben und eingesetzten mobilen Geräten, wird in eine verbesserte Prävention von Muskel-Skelett-Belastungen einfließen. Dabei war von besonderem Interesse, welche Faktoren sich auf die körperlichen Beschwerden auswirken, die von Beschäftigten an Bildschirmarbeitsplätzen berichtet wurden. In einer Online-Befragung wurden Beschäftigte an Bildschirmarbeitsplätzen zu Ihrer Gestaltung im Homeoffice und Beschwerden während der Pandemie und aktuell befragt. Die Erkenntnisse sollen helfen, anhand der subjektiven Beschwerdeangaben Effekte reduzierter Ergonomie aufzuzeigen. Diese Erkenntnisse können zukünftig in eine gezielte Präventionsarbeit der Unfallversicherungsträger einfließen.

Aktivitäten/Methoden:

In diesem Kooperationsprojekt der DGUV-Forschungsinstitute IPA (Institut für Prävention und Arbeitsmedizin) und IFA (Institut für Arbeitsschutz) wurde von September 2023 bis April 2024 eine bundesweite Online-Befragung von Beschäftigten an Bildschirmarbeitsplätzen durchgeführt. Die Studie an Personen, die nur im Homeoffice, abwechselnd im Homeoffice oder im Büro oder nur im Büro arbeiten, ermöglichte einen Einblick in die körperlichen Beschwerden an den verschiedenen Bildschirmarbeitsplätzen. Der Fragebogen umfasste neben den Ein- und Ausschlusskriterien Fragen zum Beruf sowie eine Expositionsanalyse für das Homeoffice (Ergonomie). Weiterhin wurden Fragen zur Gesundheit/Muskel-Skelett-Beschwerden inkl. Schmerzen, zur psychischen Beanspruchung und zur digitalen Augenbelastung (Computer Vision Syndrom) gestellt.

Zur Bewertung der ergonomischen Qualität des heimischen Arbeitsplatzes wurden zwei Bewertungsverfahren entwickelt, die auf den Empfehlungen für Bildschirmarbeitsplätze der DGUV basieren und eine Einstufung ergonomischer Bedingungen ermöglichen. Der muskuloskelettale Ergonomiescore (MES) bewertet die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen hinsichtlich der Muskel-Skelett-Exposition und der visuelle Ergonomiescore (VES) nimmt eine Bewertung hinsichtlich der Augen-Exposition vor.

Die vorrangigen Forschungsfragen zielten auf den Zusammenhang zwischen dem Grad der Ergonomie und den subjektiven Angaben zu Muskel-Skelett- und Augenbeschwerden ab. Für die Datenauswertung hat das IFA die Angaben der Teilnehmenden zu Beschwerden in den letzten vier Wochen herangezogen, während das IPA einen Vergleich der aktuellen Situation mit der retrospektiv erfragten Situation vor der Pandemie durchführte. Zur Analyse des Zusammenhangs zwischen Beschwerden und Arbeitsbedingungen wurden logistische Regressionsmodelle gerechnet.

Um aussagekräftige Daten zu erhalten, wurde eine Teilnehmendenzahl von 1 000 bis 1 500 angestrebt und erreicht.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Mehrheit der Befragten in einem gemischten Arbeitsmodell tätig war, bei dem sie sowohl im Büro als auch von zu Hause aus arbeiteten. Drei Viertel der Befragten hatten bezogen auf das Muskel-Skelett-System eine günstige ergonomische Gestaltung im Homeoffice. Personen ohne adäquate ergonomische Gestaltung wiesen eine erhöhte 4-Wochen-Prävalenz von Beschwerden im oberen und unteren Rücken sowie im Nacken auf. Dabei erwies sich der Zusammenhang mit den Beschwerden im oberen Rücken als statistisch signifikant. Eine statistisch signifikante Assoziation zwischen der wöchentlichen Arbeitszeit im Homeoffice und Beschwerden in den Schultern und im oberen Rücken wurde ebenfalls festgestellt. Angst- und Depressionssymptome sowie das weibliche Geschlecht waren statistisch signifikant mit Beschwerden im oberen Rücken, im Nacken und in den Schultern assoziiert. Im unteren Rücken war dagegen nur ein Einfluss von Angst- und Depressionssymptomen festzustellen.

Hinsichtlich der Augen war nur rund die Hälfte der Homeoffice-Arbeitsplätze ergonomisch günstig gestaltet. Eine ungeeignete Gestaltung für die Augen, das Tragen einer Brille – insbesondere einer Lesebrille – und weniger als eine Pause für die Augen pro Stunde wurden mit Augenbeschwerden in Verbindung gebracht. Diese Zusammenhänge waren in der univariaten Regressionsanalyse statistisch signifikant. In der multivariaten Analyse blieb das Tragen einer Brille ein statistisch signifikanter Einflussfaktor. Seltene oder keine Pausen für die Augen waren ebenfalls mit Beschwerden assoziiert, wenn auch nicht statistisch signifikant. Wie schon bei der Untersuchung der Muskel-Skelett-Beschwerden zeigte sich, dass Angst- und Depressionssymptome sowie das weibliche Geschlecht einen Einfluss auf Augenbeschwerden haben.

Beide Scores erwiesen sich als praktikable und zweckmäßige Instrumente zur Einordnung der ergonomischen Qualität von Bildschirmarbeitsplätzen und können zukünftig in der Prävention eingesetzt werden.

Die mobile Arbeit im Homeoffice bedarf einer sorgfältigen Anleitung der Beschäftigten, um sie für potenzielle Risikofaktoren für Muskel-Skelett- und Augenbeschwerden zu sensibilisieren. Dadurch können Beschäftigte befähigt werden, in ihrem Zuhause einen Arbeitsplatz mit guter ergonomischer Qualität einzurichten. Denn bereits wenige Arbeitstage pro Woche in einer weniger günstigen ergonomischen Umgebung können zu Muskel-Skelett-Beschwerden führen.

Die Ergebnisse der Online-Befragung wurden bereits veröffentlicht bzw. befinden sich in der Veröffentlichung und können als empirische Grundlage für die Ableitung gezielter Präventionsmaßnahmen zur Reduktion muskuloskelettaler Belastungen im Homeoffice herangezogen werden.

Stand:

12.11.2025

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
  • Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM)
  • VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft)
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren

Schlagworte:

Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsmittel, Ergonomie

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Online-Befragung, Homeoffice, Ergonomie, Muskel-Skelett-Beschwerden

Kontakt

Weitere Informationen

  • Casjens, S.; Griemsmann, S.; Hosbach, I.; Wechsler, K.; Weber, B.; Clarenbach, C.; Petersen, J.; Neubauer, B.; Ellegast, R.; Behrens, T.: Changes in musculoskeletal pain among computer workers when working from home. Journal of Occupational and Environmental Medicine, February 7, 2025. DOI: 10.1097/JOM.0000000000003337
  • Behrens, T.; Griemsmann, S.; Hosbach, I.; Wechsler, K.; Weber, B.; Clarenbach, C.; Petersen, J.; Neubauer, B.; Ellegast, R.; Casjens, S.: Computer vision syndrome before and after the pandemic: New symptom onset and workplace setup of visual display terminals. Journal of Occupational and Environmental Medicine, July 11, 2025. DOI: 10.1097/JOM.0000000000003484.
  • Griemsmann, S.; Rissler, J.; Casjens, S.; Wechsler, K.; Hosbach, I.; Clarenbach, C.; Petersen, J.; Neubauer, B.; Weber, B.; Behrens, T.; Ellegast, R.: Prevalence and risk factors of musculoskeletal complaints and digital eye strain while working from home: results of an online survey (under review).
  • Casjens, S.; Hosbach, I.; Griemsmann, S.; Ellegast, R.; Weber, B.; Wechsler, K.; Behrens, T.: Muskel- und Skelett-Beschwerden bei mobiler Bildschirmarbeit. IPA Aktuell 20
  • Griemsmann, S.; Casjens, S.; Hosbach, I.; Weber, B.; Wechsler, K.; Ellegast, R.; Behrens, T.: Auswirkungen von Bildschirmarbeit im Homeoffice auf Muskel-Skelett-Beschwerden. DGUV forum 9/25 (in press)