Licht ist der wichtigste Zeitgeber für die innere Uhr des Menschen. Bei Schichtarbeit, insbesondere in der Nacht, kann diese aus dem Takt geraten. Dieser Effekt kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Die Studie „Licht und Schicht“ hat das Ziel, Beleuchtungsansätze zu identifizieren, die die zirkadianen Rhythmen von Schichtarbeitenden unterstützen.
Licht ist ein entscheidender Faktor für die innere biologische Uhr. Spezifische Zellen in unserem Auge leiten einfallendes Licht als Signal an ein Zentrum im Gehirn weiter. Der Tag-Nacht-Wechsel wird so an unsere innere biologische Uhr weitergegeben.
Wird das Zusammenspiel der biologischen oder auch so genannten zirkadianen Rhythmen dauerhaft gestört, kann sich dies nachteilig auf die Gesundheit auswirken. So wurde Nachtarbeit 2018 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Doch die Folgen der Unterbrechung der zirkadianen Rhythmen – etwa im Rahmen von wechselnder Schichtarbeit – können auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Auswirkungen wie Depressionen umfassen.
Bislang gibt es zwar allgemeine Empfehlungen für die Beleuchtung am Arbeitsplatz. Für konkrete Beleuchtungsempfehlungen bei Schichtarbeit fehlt es aber an wissenschaftlichen Untersuchungen und Daten aus Feldstudien. Der Präventionsansatz der Interventionsstudie „Licht und Schicht“ bestand deshalb darin, Beleuchtungsansätze zu identifizieren, die die zirkadianen Rhythmen von Schichtarbeitenden unterstützen. Gemeinsam mit dem Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) sowie der Technischen Universität Ilmenau als Kooperationspartner wurden vom IPA im Rahmen einer Studie kurz- und langzeitige Auswirkungen von innovativer, dynamischer Beleuchtung am Arbeitsplatz auf Schichtarbeitende untersucht.
Im Vordergrund stand bei dem Projekt die Fragestellung, wie sich der Einsatz von dynamischer Beleuchtung am Arbeitsplatz auswirkt auf:
Die Firma Trilux GmbH & Co. KG war als Industriepartner an der Studie beteiligt. Sie gab dem Forschungsteam die Möglichkeit, vor Ort unabhängig wissenschaftlich zu arbeiten und für die Studie moderne Leuchten in einem betrieblichen Setting einzusetzen. In zwei Werkshallen wurde bei verschiedenen Schichten dynamische Beleuchtung eingeführt und über den Studienzeitraum beibehalten.
Dynamische Beleuchtung bedeutet, dass die Beleuchtungsstärke und Lichtfarbe nach einem entwickelten Muster im Tages- beziehungsweise Schichtverlauf verändert werden. Bei dem Zusammenhang von Schichtarbeit und zirkadianen Rhythmen könnte es nämlich einen Unterschied machen, welcher Beleuchtungsstärke und welcher Lichtfarbe die Beschäftigten während ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind: „Für die biologischen Tagesrhythmen ist Licht der wichtigste Taktgeber“, betont Dr. Sylvia Rabstein, Studienleiterin seitens des IPA. „Dabei spielen die farbliche Zusammensetzung und die Beleuchtungsstärke eine Rolle. Bei Schichtarbeitenden haben wir noch zu wenige Kenntnisse, wie die Beleuchtung am besten zusammen gesetzt sein sollte.“
In insgesamt vier Feldphasen von Ende 2021 bis Anfang 2023 wurde deshalb mit verschiedenen Methoden erforscht, inwiefern sich die Beleuchtungsumstellung auf das Empfinden und den Organismus der Probandinnen und Probanden auswirkte. Die Termine der Feldphasen wurden jeweils zum gleichen Zeitpunkt im Jahr gewählt, um vergleichbare Lichtverhältnisse beziehungsweise gleiche Tageslichtlängen zu gewährleisten.
Feldphasen während der SARS-CoV-2-Pandemie
Vor Ort bei Trilux begann die Studie Ende 2021 mit einer Ermittlung des Ist-Zustandes. Dabei wurden umfassende Messungen und Dokumentationen der Ausgangssituation vorgenommen, bevor die Beleuchtung (Beleuchtungsintervention) in den Werkshallen umgestellt wurde. Rund zwei Monate danach wurde das erste Follow-Up mit Messungen, Tests und Probenentnahmen sowie Befragungen der Probanden und Probandinnen durchgeführt. Um Erkenntnisse über die kurz- und langzeitigen Effekte zu gewinnen, wurde die Feldphasen nach 12 beziehungsweise 15 Monaten wiederholt.
Insbesondere durch die SARS-CoV-2-Pandemie war es jedoch nicht einfach, die Feldphasen vor Ort umzusetzen. „Das war eine besondere Herausforderung“, betont Sylvia Rabstein. „Durch die SARS-CoV-2-Pandemie mussten wir die Felddurchführung mehrmals verschieben und Abläufe verändern. Beispielsweise konnten wir nicht, wie ursprünglich geplant, große Informationsveranstaltungen bei Betriebsversammlungen für die Gewinnung von Teilnehmenden durchführen. Stattdessen fanden die Gespräche in Kleingruppen meist unter freiem Himmel statt. Entsprechend konnten die Probanden und Probandinnen auch nur einzeln untersucht werden, dies war personell und zeitlich sehr aufwändig.“
Die Beleuchtungsintervention in einer Werkshalle, in der in Früh- und Spätschichten gearbeitet wurde, beinhaltete beispielsweise, dass ein dynamisches Tageslicht mit warmweißem Licht am Abend eingeführt wurde. Bei der dynamischen Beleuchtung für die Nachtschicht wurde zunächst ein höherer Blaulichtanteil im Licht gewählt. Zum Ende der Nachtschicht wurde die Hallenbeleuchtung wärmer und die Beleuchtungsstärke etwas verringert. „Damit wollten wir erreichen, dass die Beschäftigten zuhause gut in den Schlaf kommen“, so Sylvia Rabstein.
„Für uns war es spannend, die Erarbeitung von Empfehlungen von Lichteinstellungen während der Schichtarbeit zu unterstützen“, erläutert Andreas Pickelein, Ansprechpartner für die Umsetzung der geplanten Beleuchtung bei Trilux. „Wir hoffen, damit einen Beitrag zum Wohlbefinden der Nachtschicht arbeitenden Menschen zu leisten.“
Die insgesamt 89 Probandinnen und Probanden der Studie waren während der Feldphasen in Teilnehmende der dynamischen Beleuchtungsinterventionen und in eine Vergleichsgruppe unterteilt. Um Informationen zu ihren Ruhezeiten zu erhalten, wurden sogenannte Aktigraphen eingesetzt (→ Abb. 1). Dabei handelt es sich um Messgeräte zur Erfassung der Bewegungsaktivität, die wie eine Armbanduhr am Handgelenk Tag und Nacht getragen werden. Mit den erhobenen Daten können dann Schlaf- und Wachzeiten der Person untersucht werden.
Zudem gaben die Probandinnen und Probanden Speichelproben ab, in denen die Konzentration der Hormone Melatonin und Cortisol im Labor bestimmt wurden (→ Abb. 2). Melatonin wird bei Dunkelheit ausgeschüttet. Es ist der wichtigste Botenstoff für die zirkadianen Rhythmen im Körper. Bei Nachtarbeit verschiebt sich die Ausschüttung und kann auch geringer ausfallen. Auch Cortisol verändert sich im Laufe eines Tages und ist ein Marker für die Aktivierung des Körpers. Er wird häufig in wissenschaftlichen Studien zu Schichtarbeit untersucht. So kann beobachtet werden, wie sich die morgendliche Aktivierung des Körpers mit hohen Cortisolspiegeln bei Schichtarbeit verändert. Deshalb wurden die Speichelproben an Arbeitstagen mit Nachtschicht zu verschiedenen Zeitpunkten entnommen. Neben Speichel wurde der Cortisolspiegel als Marker des längerfristigen Stresses zusätzlich anhand von Haarproben bestimmt. Hierfür wurde je Feldphase eine Haarprobe vom Hinterkopf der Teilnehmenden entnommen.
Um festzustellen, wie sich die veränderte Beleuchtung auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkt, wurde mit den Probanden und Probandinnen der sogenannte Psychovigilanz-Test (PVT) durchgeführt. Er gehört zu den Studienaspekten, mit denen sich insbesondere das ZfAM beschäftigte. Bei der PVT-Testung geht es um eine gerichtete Aufmerksamkeit über eine Zeitspanne von drei, fünf oder zehn Minuten“, so Dr. Robert Herold, wissenschaftlicher Mitarbeiter der AG Epidemiologie des ZfAM und stellvertretender Projektleiter. Pro Feldwoche wurden zwei PVT-Tests jeweils zur gleichen Uhrzeit durchgeführt. „Wir haben die 5-Minuten-Version gewählt, weil sie gut umsetzbar ist und zuverlässige Ergebnisse liefert. Es geht darum, zu ermitteln, wie aufmerksam die Teilnehmenden zu dem Zeitpunkt sind. Wir haben den Test deshalb zur Mitte der Schicht gemacht, weil die Konzentration dann in der Regel absinkt.“ Während des PVT-Tests erscheinen auf dem Bildschirm eines Gerätes Lichtimpulse. Sobald dieser Stimulus auftaucht, sollen die Probanden reagieren, indem sie einen Knopf drücken. Die Reaktionszeit wird dann in Millisekunden gemessen. „Wir sehen deutlich langsamere Reaktionszeiten, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt“, so Herold.
Anhand von Fragebögen zur Beleuchtung im Rahmen der PVT-Testungen wurde außerdem das subjektive Empfinden der Studienteilnehmenden innerhalb verschiedener Schichten dokumentiert. „In den Fragebögen wurde die individuelle Wahrnehmung der Hallen- und Raumbeleuchtung abgefragt“, so Herold. Die Antwortmöglichkeiten bewegten sich dabei auf einer Skala von eins bis fünf, in der die Teilnehmenden ihr Empfinden einordnen und dokumentieren konnten. Zudem ging es um die persönliche Einschätzung der Arbeitsplatzbeleuchtung.
Zur Erfassung und Charakterisierung der Beleuchtungsverhältnisse in den Montagehallen mit einem validen Messkonzept nahm die TU Ilmenau lichttechnische Messungen in den Werkshallen vor. „Um Auswirkungen von dynamischer Beleuchtung im Arbeitskontext untersuchen zu können, müssen die lichttechnischen Parameter des Beleuchtungssystems im Tagesverlauf bekannt sein. Unsere Aufgabe war es, die stabilen Lichtbedingungen für alle Versuchsphasen während der Studie nachzuweisen und abzuschätzen, welches Licht bei den Beschäftigten tatsächlich ankommt“, erklärt Dr. Karin Bieske, verantwortliche Wissenschaftlerin am Fachbereich Lichttechnik der TU Ilmenau.
Zusätzlich wurden am Wochenende Messungen durchgeführt, um eine detaillierte Abschätzung der Beleuchtung an den Arbeitsorten zu erhalten. Auch stellte die TU Ilmenau sicher, dass die gewählte Beleuchtungsdynamik nicht zu sehr durch andere Lichtquellen wie Arbeitsplatzleuchten gestört wurde.
Die Ergebnisse der Studie „Licht und Schicht“ sollen in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht werden. „Die Frage ist, ob – und wenn ja, wie – neue lichttechnische Möglichkeiten genutzt werden können, um Schichtarbeit für die Beschäftigten nachweislich besser erträglich zu machen“, sagt Sylvia Rabstein. Mithilfe der Ergebnisse der Studie könnten so Beleuchtungssysteme identifiziert werden, die Firmen in Zukunft einsetzen und so zum Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitragen könnten. Weitere Informationen zum Projekt: www.dguv.de/ipa/forschung/projektesammlung/ipa-166-licht.jsp
Das Wort zirkadian setzt sich aus lateinisch circa (ungefähr) und dies (Tag) zusammen. Beim zirkadianen Rhythmus handelt es sich um die Fähigkeit des Organismus, physiologische Vorgänge auf eine Period
Autorin
Nina Bürger
IPA
Fachliche Ansprechperson
Dr. Sylvia Rabstein
IPA