Metaanalyse zu Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten der Berufskrankheit (BK 2115) "Musikerdystonie"

Projekt-Nr. FF-FB 0310

Status:

abgeschlossen 11/2021

Zielsetzung:

Die sogenannte "Musikerdystonie", eine Form der aufgabenspezifischen fokalen Dystonie, wurde am 01.08.2017 in die Liste der Berufskrankheiten als Ziffer 2115 aufgenommen. Bis heute sind leider die Therapieerfolge bei der Musikerdystonie als sehr begrenzt einzuschätzen, was zur Folge hat, dass die Berufskrankheit häufig zum Ende der Musikerkarriere führt. Eine Metaanalyse zur Therapie der Musikerdystonie kann ein klareres Bild über wirksame und ineffektive Therapieformen auf Sekundärpräventionsebene schaffen und wird daher dringend benötigt.

Ziel des Forschungsvorhabens war die Erstellung einer Metaanalyse, die eine Zusammenfassung aller klinischen Studien zu geläufigen Therapieformen ermöglicht. Diese soll als Vorlage zur Ableitung konkreter Empfehlungen bzw. Verbesserungsmöglichkeiten für das Heilverfahren dienen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen auf die schnellere und wirksamere berufliche wie auch soziale Wiedereingliederung der erkrankten "Profimusik-Spielenden" abzielen.

Aktivitäten/Methoden:

Eine Metaanalyse ist stark standardisiert und erfolgt in mehreren Arbeitsschritten. Gesucht wurden Publikationen und sog. graue Literatur (unpublizierte Doktorarbeiten, etc.) von 1980 bis heute (Stand Oktober 2021), vornehmlich in englischer Sprache, aber auch auf Deutsch, Französisch, Niederländisch und Italienisch. Die Recherchestrategie wurde ausführlich dokumentiert. Die Arbeitsschritte im Einzelnen:

  • Studienauswahl,
  • Kodierung und Kategorisierung,
  • Effektgrößenberechnung,
  • Reliabilitätsprüfung.

Ergebnisse:

Da die Datenqualität und Datenquantität nicht den Anforderungen einer methodisch anspruchsvollen Metaanalyse genügten, wird aktuell (Stand Mai 2022) ein systematisches Review verfasst. Insgesamt wurden 42 Studien in das systematische Review eingeschlossen. Nach Evidenzgrad absteigend sortiert: IA: 0 Studien; IB: 2 Studien; IIA: 0 Studien; IIB: 7 Studien; IIIA: 5 Studien; IIIB: 17 Studien; IVB: 11 Studien.

Behandlung mit Botulinumtoxin: Auf der Grundlage von Selbstberichten kann eine mittlere bis hohe Anzahl von betroffenen Personen von einer Behandlung mit Botulinumtoxin profitieren. Im Durchschnitt ist dieser Nutzen von mittlerer Qualität.

Pharmakotherapie für fokale Dystonie: Trihexyphenidyl zeigt geringe bis mittlere Wirksamkeit, Bewertungen von Erkrankten sowie Fachkräften stimmen überein. Primidon und Propanolol sind möglicherweise wirksame Substanzen zur Behandlung des aufgabenspezifischen Tremors bei Musizierenden.

Transkranielle Gleichstrombehandlung (tDCS): positive Effekte nur auf der Individualebene, nicht auf der Gruppenebene.

Kinesiotaping: keine wirksame Behandlung der Symptome.

Invasive Methoden: Eine Studie (Evidenzstufe IVB, n = 1) untersuchte die Wirkung der tiefen Hirnstimulation (DBS) → DBS befindet sich noch im Anfangsstadium der Forschung für fokale Dystonie bei Musizierenden, noch keine Schlussfolgerungen möglich.

Ergonomische Veränderungen und sensorische Tricks: In fünf Studien wurde die Wirkung von ergonomischen Veränderungen und sensorischen Tricks bei der Behandlung von Musizierenden-Dystonie untersucht. Drei Studien hatten den Evidenzgrad IIB, zwei Studien die Stufe IIIA. Zwei Studien untersuchten den so genannten "Handschuheffekt". Obwohl es sich um eine individuelle Therapiestrategie handelt, gab es auf Gruppenebene keine Hinweise darauf, dass der Handschuheffekt die Feinmotorik verbessert. Die Anwendung verschiedener Arten von auditivem Feedback führte nicht zu einer Verbesserung der feinmotorischen Kontrolle. Ein propriozeptives Training mit Vibration verbesserte jedoch signifikant die aufgabenspezifische motorische Kontrolle. Individuelle, nicht standardisierte Ansätze wie Positionsänderungen, Schienen usw. führten zu einer selbstberichteten Verbesserung von bis zu 63 %.

Unspezifische Übungen: Es wurden drei Studien identifiziert, die die Auswirkungen unspezifischer Übungen beleuchteten. Eine Studie verfügte über den Evidenzgrad IIIA, die beiden anderen Grad IIIB. Jabusch et al. (2005) berichteten über eine Verbesserung von 56 % der Teilnehmenden, die unspezifische technische Übungen durchgeführt hatten. Butler et al. (2018) stellten fest, dass Schulterbewegungsübungen sowie Übungen zur Stärkung der Hand von 43 % der teilnehmenden als wirksam eingestuft wurden. In einer Studie von van Vugt et al. (2014) wurde die mittlere Wirksamkeit von Handtherapie und Entspannungsübungen als mittel und die von Physiotherapie als gering eingestuft. Ähnlich wie bei ergonomischen Veränderungen handelt es sich um individuelle Ansätze, die nicht standardisiert sind und zu denen keine Daten aus kontrollierten Studien vorliegen.

Stand:

16.09.2022

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin, Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Branche(n):

Dienstleistungen

Gefährdungsart(en):

Mechanische Gefährdungen

Schlagworte:

Berufskrankheit, Physische Beanspruchung/Belastung, Muskel-Skelett-Erkrankungen (außer Krebserkrankungen)

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Musikerdystonie, fokale Dystonie, BK2115