Emotionale Inanspruchnahme: Aggression und Gewalt

Praxisbeispiel

Das Arzthelferinnen-Team einer Kinderarztpraxis arbeitet seit vielen Jahren zusammen. Vor zwei Monaten hat die Kinderarztpraxis im Nachbarort geschlossen und es konnte keine Nachfolge gefunden werden. Eigentlich hat die Praxis einen Aufnahmestopp von neuen Patienten und Patientinnen. Durch die fehlende Praxis im Nachbarort und eine aktuelle Grippewelle kommen aber vermehrt neue, unangemeldete Eltern mit ihren kranken Kindern (Schnupfen, Husten, Fieber etc.). Die Stimmung im Wartezimmer ist meist angespannt und gereizt. Vor Kurzem hatte die Mutter eines Kindes kein Verständnis dafür, dass Notfälle vorgezogen werden, und hat die Mitarbeiterinnen in der Praxis wüst beschimpft. In letzter Zeit kommt es immer häufiger zu aggressiven verbalen Attacken gegenüber den Arzthelferinnen.


Mögliche Gefährdungen

Gewaltereignisse – und hierzu zählen auch verbale Attacken - werden von Betroffenen häufig als stark belastend erlebt und können zu Beeinträchtigungen der Gesundheit führen. Mögliche Reaktionen sind Ärger, Hilflosigkeit oder Enttäuschung. Betroffene agieren zum Beispiel vorsichtiger, angespannter, gereizter oder haben weniger Freude am Umgang mit den Patientinnen und Patienten. Je häufiger Beschäftigte verbaler Gewalt oder anderen Formen von Gewalt ausgesetzt sind, desto stärker können sie sich belastet fühlen. Dies bedeutet: Umso stärker kann auch ihre Gesundheit beeinträchtigt sein.


Schutzziele

Eine Tätigkeit ist gut gestaltet, wenn Beschäftigte vor Gewalt, Aggressionen und Bedrohungen durch andere Personen (z.B. Patientinnen und Patienten oder Kundinnen und Kunden) geschützt sind.


Beispielhafte Maßnahmen

In der Reihenfolge S-T-O-P soll geprüft werden, ob es passende Maßnahmen zum Schutz vor einer Gefährdung gibt.

Substitution

  • In diesem Beispiel wurden keine substituierenden Maßnahmen getroffen.

Technische Maßnahmen

  • Gestaltung des Wartebereiches mit ausreichendem Platz für die Patientinnen und Patienten in der Arztpraxis (nach Möglichkeit), Installation von warmem Licht und einer guten Raumakustik; angenehme Farbgestaltung des Wartebereichs; Einrichtung einer Spielecke und eines Wasserspenders.

Organisatorische Maßnahmen

  • Bei ansteckenden Erkrankungen besteht die Möglichkeit, außerhalb der Praxis zu warten und kurz vor Behandlungsbeginn geholt zu werden.
  • Patientinnen und Patienten werden bei der Aufnahme darauf hingewiesen, dass möglicherweise dringendere Fälle vorgezogen werden müssen und sich daher ihre Wartezeit verlängern kann. Ergänzend hierzu wird im Wartebereich ein Aushang aufgehängt.
  • Ein Notfallmanagement inklusive Regelungen zur Deeskalation wird erarbeitet und umgesetzt.
  • Die Beschäftigten können auf ein Angebot der Supervision zurückgreifen.

Personenbezogene Maßnahmen

  • Training zur Aneignung vom Emotionsregulationsstrategien
  • Training zur Aneignung für Deeskalations- und Konfliktbewältigungsstrategien