„Wir machen Sozialpolitik. Unsere Entscheidungen betreffen die Unternehmen und die Beschäftigten.“
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Gabriele Axmann (rechts) und Bernhard Wagner (links) sind Vorsitzende der Mitgliederversammlung der DGUV. Sie schildern, wie die Soziale Selbstverwaltung Mitbestimmung ermöglicht und erklären, wie sie diese stärken wollen. © Jan Röhl/DGUV
Frau Axmann, Herr Wagner, viele Menschen wissen nur wenig über die Soziale Selbstverwaltung. Welche Möglichkeiten gibt es, sie sichtbarer zu machen?
Axmann: Der Abschlussbericht über die Sozialwahlen 2023 stellt erstmalig die Forderung auf, der Selbstverwaltung Verfassungsrang zu geben. Das wäre eine deutliche Stärkung der Selbstverwaltung und wird von uns Arbeitgebervertreterinnen und -vertretern begrüßt.
Gleichzeitig brauchen wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter gefragt werden, warum sie sich engagieren, dann kennen wir doch alle die Antworten: um die Bedingungen in den Unternehmen und Verwaltungen zu gestalten und entscheiden zu können, wie die Beitragsmittel verwendet werden und die Unfallversicherung gleichzeitig dauerhaft tragfähig finanzierbar bleibt.
Wagner: Zu überdenken ist auch, was unser Bildungssystem tun kann, um jungen Menschen unser Sozialversicherungssystem und die Selbstverwaltung näherzubringen und sie dafür zu begeistern. Gleichzeitig ist es an uns, unseren Versicherten aufzuzeigen, was Selbstverwaltung und Mitbestimmung bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bedeuten. Selbstverwaltung lebt nur vom Mitmachen.
ZITAT
Selbstverwaltung lebt nur vom Mitmachen.
Welche Inhalte aus der Arbeit der Selbstverwaltung könnten Menschen motivieren, sich zu engagieren?
Wagner: Die Reform des Berufskrankheitenrechts ist ein Beispiel für gelebte Selbstverwaltung. Hier haben wir deutliche Verbesserungen für die Versicherten der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen erreicht. Ohne unseren Einsatz wäre der Wegfall des Unterlassungszwangs so nicht erreichbar gewesen. Wir haben es geschafft, dass Menschen mit bleibenden Einschränkungen durch einen Arbeitsunfall eine Rente bekommen und dennoch weiterarbeiten – das hilft den Menschen und dem Arbeitsmarkt. Auch die tägliche Arbeit in den jeweiligen Renten- und Widerspruchsausschüssen der Träger und in den Gremien in unserem Klinikkonzern zeigt, wie interessant und abwechslungsreich die Mitarbeit in der Selbstverwaltung sein kann und wie wir beispielsweise zur Verbesserung der medizinischen Notfallversorgung und der Rehabilitation ganz konkret beitragen können.
Axmann: Einen sinnstiftendenden Aspekt sehe ich in der gemeinsamen Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben und Unternehmen unter der Prämisse der dauerhaften Finanzierbarkeit. Wir müssen vermitteln, dass Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter ihre betriebliche Realität unmittelbar gestalten. Sie entscheiden zum Beispiel über Unfallverhütungsvorschriften, die Erhaltung und Erneuerung der Infrastruktur der DGUV und der Träger oder beteiligen sich in Renten und Widerspruchsausschüssen.
Die Wahlbeteiligung bei den Sozialversicherungswahlen war 2023 so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Was sollte dagegen getan werden?
Wagner: Für die nächste Sozialwahl gilt es, mit der Zeit und den Bedürfnissen der Versicherten gehen. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Veränderungen im Tariftreuegesetz machen betriebliche Wahlen bereits 2026 als Online-Wahlen möglich. Wir schauen hier gespannt auf die Erfahrungen aus den Betrieben.
Axmann: In dieser Wahlperiode muss es uns gelingen, in einer konzertierten Aktion mit den anderen Trägern die Soziale Selbstverwaltung stärker als bisher ins Blickfeld der Wählerinnen und Wählern zu bringen. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter stehen mit ihrer Person und ihrem Handeln für die Unfallversicherung. Sie machen auf jeder Ebene, in jeder Ausschusssitzung Sozialpolitik. Unsere Entscheidungen betreffen die Unternehmen und die Beschäftigten direkt und unmittelbar. Dies noch stärker nach außen zu tragen, ist unsere gemeinsame Aufgabe.
Lesen Sie das ausführliche Interview in der Ausgabe 1/2025 von DGUV forum „Wir müssen die Sichtbarkeit unserer Selbstverwaltungen erhöhen“
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