Claudia Plohmann arbeitet seit 30 Jahren in der Pflege und ist seit sechs Jahren ebenfalls als ausgebildete Deeskalationstrainerin tätig. Im Interview berichtet sie über ihre Ausbildung zur Deeskalationstrainerin und wie Beschäftigte mit Gewalt im Pflegealltag umgehen können. Sie arbeitet im BG Klinikum in Duisburg.
>> Das Motto „Ihr müsst das Aushalten“ ist keine Option. <<
Frau Plohmann, Sie setzen sich sehr dafür ein, dass über Gewalt am Arbeitsplatz, insbesondere in der Pflegebranche, gesprochen wird. Wieso ist Ihnen das Thema so wichtig?
Ich habe eine eigene Erfahrung mit einer Gewaltsituation gemacht, ich wurde von einem Patienten bedroht. Das Erlebnis hat mich wütend und hilflos gemacht. Deswegen habe ich eine Weiterbildung als Deeskalationstrainerin gemacht.
Was lernt man in einer Ausbildung zur Deeskalationstrainerin?
Es gibt drei Säulen, zu denen Inhalte vermittelt werden: Kommunikationstechnik, Gewalt verhindern und Nachsorge in der Einrichtung. Es werden Theorieaspekte gelernt und verschiedene Formen von Gewalt vorgestellt. Als Praxisaufgabe identifizieren Teilnehmende aggressionsauslösende Reize und betreiben Ursachenforschung, d.h. warum wird jemand übergriffig? In der Körperinterventionstechnik werden Abwehr und Fluchttechniken gelehrt. Im Themenbereich der Nachsorge wird besprochen, an wen man sich im Fall eines Gewalterlebnisses wenden kann und welche Unterstützung die eigene Einrichtung bietet.
Was hat Ihnen die Ausbildung gebracht?
Ich fühle mich jetzt besser gewappnet für diverse Alltagsmomente. Es kann immer mal eine Situation entstehen, in der man das Gefühl hat, die Stimmung könnte kippen. Ich habe dafür ein besseres Bewusstsein entwickelt und kann daher auch schon früher und mit bewährten Methoden eingreifen.
Sie schulen jetzt in Deeskalationstrainings auch Ihre Kolleginnen und Kollegen. Wie ist das Feedback?
Durchgängig sehr gut. Die Schulung wird ständig weiterempfohlen, auch weil für verschiedene Formen von Gewalt sensibilisiert wird, z.B. für verbale Gewalt, die sehr oft abgetan wird. Mit mehr Wissen traut man sich auch mehr, Gewalt zu erkennen und Vorfälle zu melden. Es findet ein Umdenken im Kollegium statt. Der Präventionsaspekt zeigt sich auch in Zahlen: Die Anzahl der Übergriffe sinkt, seit das Deeskalationstraining ein Teil des allgemeinen Präventionskonzeptes ist.
Wie kann man nach dem Auftreten eines Gewaltereignisses am besten damit umgehen? Wie kann man die Beschäftigten unterstützen?
Eine gute Nachsorge ist an dieser Stelle sehr wichtig. Mit Ersthelfern oder auch Psychologen kann die Situation aufgearbeitet und reflektiert werden. Emotional bleibt natürlich etwas zurück – hätte ich etwas anders oder besser machen können? Man sagt, dass hinter jeder Aggression eine Not des Patienten steht. Das hat mir bei der Aufarbeitung geholfen. Mein Wunsch wäre jedoch, dass die Gesellschaft bei Gewalt nicht mehr wegguckt. Das Motto „Ihr müsst das Aushalten“ ist keine Option – wir sind Menschen und sind verletzbar, wir müssen alle mehr aufeinander achtgeben. Denn Gewalt geht uns alle an.